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Wettbewerb Ersatzneubau am Bahnhof von Baden

annäherung Zwischen Stein und Lägeren, im Graben beginnend, geht es die 'Untere Halde' hoch durch die Altstadt, unter dem wundersamen Stadtturm hindurch auf den ‚Manorschlossbergplatz‘, die kaum gekrümmte Badstrasse hinaus, vorbei an der reformierten Kirche und am Kurhaus mit seinem eindrücklichen Umschwung, dann die steinerne Treppe hinunter, den grottenartigen Brunnen passierend zum Römer, in das Bäderquartier. Am Schluss liegt gegenüber, auf der anderen Seite der Limmat, die Goldene Wand.

15a Badstrasse17 Schnittansicht

Auf den Spaziergängen um das Bahnhofquartier und in Badens Altstadt spürte man Gegenden wie den Martinsberg oder Wettingen wenig, Ennetbadens Weite schon eher. Auf dem Weg, vom Stadttor auswärts, war vor allem die Atmosphäre des Kurortes spürbar, wenn auch nicht fest zu machen. Ein sommerlich, fröhlich wirkender Ort, irgendwie ganz leicht. Es war wohl vor allem der Geräusche wegen. Man glaubte eine in der Nähe liegende Badi zu hören oder sich bereits darin zu befinden. Ähnlich Sommerliches, Frisches und Lebendiges strahlt die Limmat auch an anderen Orten der Schweiz aus. Doch hier in Baden – manche nennen sie Wellness-Stadt - wirkte das Gefühl allgegenwärtiger. Kein Wunder, will man auch in dieser Limmatstadt frei im Fluss schwimmen können und nicht nur in den Thermen baden. Zürich ist nah, kulturell, aber auch dessen Wohnungsdruck strahlt bis hierher.

  • Weite Dächer, springende Traufen, schmale Parzellen
    Links: ein grosses Fenster mit Dreiteilung

  • Eingang über den Garten, unten die Limmat

  • Hinterhof im Bäderquartier, Einfache Leistenschalung

  • Kräftige Farbe und Ordnung, hochformatige Fassaden

  • Unten muraler Sockel, oben Holzriegel

  • Lisenen und Portikus im Bäderquartier

Heute ist die Badstrasse Einkaufs- und Feiermeile. Noch immer ist die recht lineare Verbindung zweier historischer Siedlungsteile und Pole offensichtlich. Den mondäneren Bäderteil prägen Hotels und Unterkünfte teils neobarocken Auftritts um den Kurplatz. Im malerischeren, dichten, teils gotischen Städtchen sitzen Verwaltung und Politik, eingebettet in etliche historische und kulturelle Stätten. Badens Eigenarten sind trotz mancher zeitgenössischer Grobheiten immer noch gut lesbar. 

Die Stadtregion wirkt als Identifikationsort für ein Einzugsgebiet von fast 100‘000 Menschen. Es gilt also durchaus zu fragen, was denn die Differenz zu anderen Orten ausmacht, weshalb man gerne hierher kommt und welche Tonlage es anzuschlagen gilt – nicht zuletzt, um die wahrlich nicht unerheblichen Flächenansprüche einzuweben.

Badhalde

heterogen Die Kernstadt strahlt aus der Engstelle von Schloss Stein und Lägeren nordwärts. Unser Perimeter befindet sich im Bahnhofsquartier und gleichsam im Feld der Vorstadt, zwischen den Orten liegend. Wir sind im Übergang von mittelalterlich, pittoreskem Städtchen und eher barock, vielleicht schwülstig wirkender Bäderwelt. Die Gegend der Badstrasse wirkt heterogen, vielleicht auch etwas beliebig. In diesem Übergang wollen wir eine passende, robuste 'Promenadenmischung' vorschlagen, eine die vielseitig anzuknüpfen vermag. Wir suchen einen eher unbestimmteren und dennoch kräftigen Beitrag. Vor allem soll es ein freundliches, fröhliches Haus werden. Es soll offen wirken und dem, in der Auslobung beschriebenen, Klientel entsprechen. Ein warmer und wohnlicher Ort. Die Zugänge und das Treppenhaus sollen offen stehen. Wir denken an eine Freitreppe, die Garten und Haus verbindet, aber auch Wohnungen und Gasse sollen nah sein, deren Küchen an den Fassaden zu den belebten Gassen liegen.

Über die Freitreppe erreicht man keine ‚bel étage‘, sondern eine gemeinsame, begrünte Dachterrasse. An der Ecke liegt eine gemeinsame Waschküche kombiniert mit fahrbarer Inselküche und Stauraum. Hier lagern auch Grillwerkzeug und andere Utensilien. Auf Kellerräume verzichten wir. Die geräumigen Entrèes der Wohnung lassen genügend grosse, abtrennbare Reduits zu.

Die Badstrasse bietet nicht das Leben der Altstadt auch nicht deren Angebote. Das soll sie auch nicht. Grosszügige Ladenflächen kombiniert mit lebendig genutzten Wohn- und Aussenräumen, für bspw. ein Bistro im Hinterhof, ein Quartiersbeizli für Einheimische mit offenen Durchgängen und Blick in den Garten. 

Wir denken, wer für sich, für die Badener baut, baut automatisch für Touristen1. Nie sollte es anders herum sein. So treffen Einheimische auf Besucher in authentischem Umfeld. Das Aufeinandertreffen von Unterschiedlichkeiten, auch in Massstab und Materialisierung verstehen wir als urbane, bereichernde Qualität. 

11 Wasserkapelle Raum

ortsbau Die durchgehend traufständige, für diesen Ort typische Setzung schreiben wir fort. Farbige Traufkästen unterstreichen die Wirkung und fassen den Gassenquerschnitt nach oben. Wir mögen die von den Dächern nach oben verengten Räume. Auch die Brenntgasse weben wir derart weiter. Ein Plätzchen unter einem ausladendem Dach soll hier entstehen und etwas mehr Weite bieten. Schade wurde der Platz gegenüber von einem Lagerraum besetzt. Der Ort könnte weitaus besser sein und vom Charme eines Hinterhofes profitieren. Vielleicht entwickelt sich das noch.

 

Der Architekt wird verpflichtet, maximal zu nutzen, als hätte Raum an sich keine Existenzberechtigung, ... Die spezifisch räumlichen Motive wie Portikus, Piano Nobile, Arkade, Loge und Halle existieren nicht mehr, selbst im Treppenauge ist der Lift eingebaut...

Spitz fomuliert von Walter Zürcher zum Portikustrakt des Trudelhauses in ‚Badener Neujahrsblätter‘ Band (Jahr): 46 (1971)

Kernstück unserer Arbeit ist die an Bramantes Schnecke oder noch eher die an Scala del Bovolo angelehnte Treppe. Hier in Baden erschliesst sie keinen Palazzo, sondern verbindet mehrere Baukörper. Während man hoch geht wechselt der Blick stets zwischen konkaver Schale und der Weite des historischen Gartens bis hinüber zur eigenwilligen Villa an der Bahnhofstrasse 24, mit ihrem runden Söller, den dekorierten Pilastern. Den schönen Garten erhalten die Bewohner der Badstrasse sozusagen gratis. Wir wollen die Hinterseite nutzbar machen, dessen Bäume und den schönen Pavillon. Dahinter erspäht man sogar noch das Gleisfeld des Hauptbahnhofes. Es wäre vertane Chance an so einem Ort das Treppenhaus nach innen zu legen. 

So wirkt die ovale Freitreppe aus Ortbeton weniger repräsentativ, als eher wie ein überdimensionales Rankgerüst. Topfpflanzen gestalten die Läufe wohnlich. Die kleinen, mittels Läden abtrennbaren Podeste nutzen wir als Logenplätze in die Abendsonne.

13 Freitreppe06 Altstadt von Oben

volumetrie Wir halten uns an die diversen Dienstbarkeiten. Gegenüber dem Marienheim bauen wir an die Grenze. Am Brenntweg tun wir das, um die engen Gassen für gastronomische Nutzungen aufzuweiten. Ein Wandbrunnen besetzt die übriggebliebene Ecke des Eingangshauses. An der Badstrasse gehen wir nicht auf die Baulinien, sondern auf die Fassadenfluchten der Nachbarn für eine kleine wohltuende Biegung. 

Unser grösstes Volumen setzen wir im Norden, um den mächtigen Nachbarn auf der Gegenseite etwas anheim zu stellen. Der daraus entstandene Traufsprung wirkt lockernd. Der massive, durchgängig wirkende Sockel moderiert den Bruch wohltuend. So bleibt die Proportion angenehm bei etwa 2 zu 3. Die 1 zu 2 Dreiteilung der viel niedrigeren Nachbarn würde sich mit unserem notwendigen Massstabssprung nicht vertragen. Eine Proportion von 1 zu 4 wäre zu einseitig und schroff. Wir wollen uns einbetten, den muralen Gassenraum für Passanten erhalten und gleichzeitig den massiven Flächenanspruch nicht verneinen.

09a Serlio 

materialisieren Erklärtermassen schreiben wir die Rhythmik und Ordnung des ‚historischen‘ Bestandes fort. Das Gepräge aber bleibt auf den zweiten Blick zeitgenössisch. Die aus der Fassade ragenden, metallernen Läden erlauben verschiedene Öffnungszustände um Sonneneinstrahlung und Privatsphäre zu justieren. Ihre Lage vermeidet seitliche Einblicke aus der engen Strasse. In den Wohnungen sind Französische Fenster stets gratis Mini-Balkone mit Platz für Topfpflanzen, Kräuter und dergleichen. 

Die Wohnung erscheint von innen maximal verglast. Von aussen wirken die Fenster mit ihren Seitenfeldern und Geländern immer noch mural wie ihre Nachbarn. Mit der Arretierbarkeit der Läden wird die Fassade lebendig erscheinen. Die Handwerklichkeit und Teilung der Öffnungen ist im Geiste nah an den üblichen Fenstern. Statt Fensterstöcken, die es heute technisch kaum mehr braucht, nutzen wir nun Setzhölzer, um die Läden daran zu befestigen.

So bleiben die Fenster reiche, möbelschreinerartige Öffnung mit mehreren, graduell veränderbaren Ebenen. Vom aussenliegenden Laden bis zum Vorhang innen. Hans Döllgast antwortete einmal in einem bemerkenswerten Interview auf die Frage vom ebenso bemerkenswerten Dieter Weiland, worum es denn bei Häusern ginge: „Fenster, Fenster, Fenster“. Wir denken ebenso. 

Sockel und Traufe klammern wir nicht aus. In den hoch beanspruchten und für das Strassenbild wichtigen Teilen arbeiten wir mit Mauerwerk und ein paar wenigen Putzreliefs eher reduziert, ähnlich den dreigeschossigen baumeisterlichen Häusern. Nachdem der innenliegende Holzbau gestellt wurde folgt aussen verputztes Mauerwerk. Die Betonfassade der Treppe wird geschlämmt und deren Untersichten bekommen vermutlich Farbe. Erst in den oberen Wohngeschossen treten wir mit dem Holzbau sichtbar nach aussen, in eine sehr viel tektonischere und vertikalere Ordnung. 

Wir nutzen Lisenen und Brettergesimse um die stehenden Schalungsbretter zu teilen. Am Brenntweg wollen wir der Stellung und der Nutzung entsprechend spartanischer bleiben. Wir stellen uns Leistenschalungen oder ähnlich Informelles vor. Nach oben werden wir luftiger. Uns gefiel der Wechsel, wie bei den Bildern der Altstadt, wenn der Sockel in hölzerne Riegelwände übergeht. In der Altstadt und Halde findet man etliche derartige Beispiele. Spärliche, aber wichtige Glanzpunkte bilden wir in den Brüstungsfeldern aus. Hier setzen wir keramische Elemente. Diese farbenfrohen Akzente nutzen wir nicht nur in den Putzvertiefungen, sondern auch an den Stahlstaketen. (vgl. Feilnerhaus)

12 Drei Bauten sechs Wohnungen 

Nebenbei: Wir interpretieren Palladios venezianisches Fenster als Gestaltungsmotiv. Statt Säule, Traverse und Oculi arbeiten wir mit Sturz und je zwei Setzhölzern. Daran montiert, ragen Fensterläden in den Gassenraum. Die Dreiteiligkeit übernimmt das Bild der üblichen Fenster und deren beidseitig liegenden Läden. Zugleich bleibt bei unserem Vorschlag die Fassade nicht flach, sondern erzeugt auf einfach Weise Tiefenwirkung. Ähnlich gedachte Fenster kennen wir aus der Altstadt. 

Den Zugang, den wir über die Stimmung zu finden versuchen, führte uns, ohne es zu wissen bei Treppe und Fenster zu venezianischen Motiven. Wir wollen das nicht in den Vordergrund stellen und nur als Randnotiz verstehen, aber vielleicht ist dieses Bonmot, doch Hinweis darauf, dass wir unseren Vorschlag in Baden auf eine, in besondere Weise mit dem Wasser verbundene Stadt, sehen, ohne das gesucht zu haben. So haben wir die Stimmung für unseren neuen, dem Stadtturm vorgelagerten Eingang in das Zentrum von Baden, vermutlich doch gut getroffen.

10 Burkhard und Mueller

11 Feilerhaus Schinkel22 Grundriss EG

arbeits- und wohntypologie Alle Wohnungen und Retailflächen docken am aussenliegenden Treppenhaus und damit am Garten an. Die Retailflächen sind grösstmöglich flexible Räume mit wenigen Stützen. Bei den Wohnungen nutzen wir die Garderobe für übertiefe Einbaumöbel mit geräumigen Stauflächen. Sie bilden den geometrischen Übergang, von Oval zu orthogonalem Wohnungsgrundriss. 

Die Essküche verstehen wir als vielseitiges, in vielerlei Richtungen schaltbares Zimmer. Sämtliche Fensterflügel sind öffenbar und die Läden in verschiedenen Winkeln über eine Lochleiste arretierbar. Mit einer schallabsorbierenden Holzleisten-Decke dämpfen wir den Schall aus den Gassen. Wie beim Loggia Prinzip kann so dem Lärm der wochenendlichen Feiermeile in Wohn- und Schlafzimmer begegnet werden. So lüften wir über die Küche. Mit dem offenen Treppenraum können wir in den heissen Sommermonaten quer, die Nacht hindurch kühlen.

Die Küche ist ein dem Leben der Gasse zugewandtes Zimmer. Zwar ist der Raum innerhalb des Dämmperimeters, aber in der Wirkung einer Loggia nicht unähnlich. Schiebewände lassen die Küche vom Wohnen trennen. Mit der angrenzenden zweiteiligen Tür kann man verschiedene räumliche und akustische Zuordnungen sowie Lüftungsmöglichkeiten einstellen. Die Zimmer sind grosszügig verglast und hell, obwohl dies aus der engen Gasse kaum auffällt. Die lichte Höhe von 2.60m kompensiert die Sparsamkeit der Flächen. Die Wohnung besitzt trotz ihrer Kleinheit Atem, erlaubt den Blick in den Treppenraum und zum grossen Teil bis in den Garten.

  • 19 Wohnung
  • 20 Badbar
  • 21 Wohnung
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  • 20 Badbar
  • 21 Wohnung
  • 16 Modell-
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  • 16 Modell-
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innere und äussere erschliessung Erschlossen werden die Läden mittels dreier Zugänge von der Strasse. Die Freitreppe erreicht man über eine Passage von der Badstrasse aus. Die Entsorgung erfolgt über die schmale abschliessbare, südliche Gasse mit einem Zwischenlager. 

Die Unter- und Obergeschosse der Gewerbeflächen können sowohl mittels kleiner Treppen über die Läden intern erfolgen, als auch über offene Treppenhaus, das im Untergschoss als Laterne die Flächen mit Tageslicht versorgt.  

 

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Projektwettbewerb im Einladungsverfahren, 1. Preis, Projektleitung: Beneditk Profanter, mit Ingenieur Thomas Rimer von Pirmin Jung Schweiz AG für die Pensionskasse SBB, Planungsbeginn Frühjahr 2022, Weiteres zum Haus Besançon auf Hochparterre. 1 Eine Erkenntis, die ich dem Büdner Kollegen Gordian Blumenthal verdanke

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