« Vernakulär »
Es ist schon ein paar Monate her, da wurde unser Umbau ‚Im Eichen‘ fertig. Nichts Auffälliges. Würden sie die Eichenstrasse entlang schlendern, entginge Ihnen die Sanierung eventuell. Von Aussen entdeckten aufmerksame Augen vielleicht die aufgearbeiteten historischen Fenster im rötlichbraunen Kellenwurf und im angebauten Heustock die frisch eingesetzten Holzlamellen. Vielmehr ist es nicht.
Der ‚Eichen‘ bezeichnet ein paar Zeilenhäuser unterhalb des Bergli, im ältesten dörflichen Rest von Glarus. Der linke Nachbar ist ein mittelalterliches Blockhaus und rechterhand steht das ‚Alte Rathaus‘. Alle wurden ohne Architekt:in im heutigen Sinn gebaut, es waren vornehmlich Baumeister oder Laien.
Diese Art Häuser nennt der Fachjargon vernakulär und meint damit im Ort, dem Klima und Material verwurzelte Bauten. Vor allem scheinen sie von Menschlichkeit durchdrungen. Mein handwerklich begabter Bauherr, weit über achtzig, zeigte sich von Anfang an offen für Unkonventionelles. Wir verstanden uns auf Anhieb. So ersannen wir schon bald etliche Pläne und organisierten die Baustelle. Doch ich stellte bald fest, dass man mich und meine Architektin kaum brauchte. Man entschied vor Ort ohne uns. Der Kühlschrank war trotz unserer Zeichnung schon gekauft, die Küchenplatte bereits geschnitzt.
Das Projekt entwickelte sich zwar mit unserem Zutun, doch unsere Rolle blieb ungewohnt und unklar. Auch die fotografische Dokumentation übernahm der ‚Handy-Man‘, wie der Allrounder jovial vom Bauherren genannt wurde. Wir vermittelten einen befreundeten Handwerker und Fotograf dem Bauherren. Doch statt dass dieser die Fortschritte täglich festgehalten hätte, wurde aus der gewünschten Dokumentation eine künstlerische, persönliche Blütenlese aus tausenden Momenten und Stimmungen. Ich bekam keinen USB-Stick, sondern ein Kunstbuch. Ähnlich verlief es mit dem ganzen Umbau.
Im Rückblick bestätigte sich, was ich schon länger geahnt und behauptet hatte. Oftmals ist meine Gattung gar nicht so unverzichtbar. Vernakuläres entsteht aus dem Bestehenden, dem Bewährten, den Bedürfnissen und pragmatischen Überlegungen und vor allem aus der Freude am gemeinsamen Machen. Im Eichen zeigte es sich in den zahlreichen inwändig zu entdeckenden Schnitzereien, in den liebevollen, zeitaufwändigen Details und in manch gewagter Umsetzung, wie zum Beispiel der Dusche. Sie bauten wir aus massivem Lärchenholz, ganz ohne Fliesen, Silikonfugen oder Folienabdichtungen. Die gemeinsame Erfindung, wurde natürlich erneut etwas anders umgesetzt als von mir geplant, dennoch fand ich sie, wie so viele Aspekte des Baus, letztendlich seltsam wunderbar und anrührend. Die eigenartige Dusche werde ich bestimmt noch einmal bauen, dann jedoch mit präzisen, vermassten Plänen, genau nach meinen Vorstellungen. Ob sie dann besser und schöner wird?--
Direktauftrag, Handwerk und Fotografie Maurin Bisig, dort gibt es auch den Bildband zu kaufen, Projektarchitektin: Martina Maurer, Ingenieur Runge AG, Bauphysik Raumanzug, Umgebung Florian Jakober, Maler Fred Kamm, Marti AG Holzbau, Högg Lifte, Aebli Sanitär, Schuler Heizung, Laager Maler, Steger Metallbau, Schmid Fenster, Hus Fenster, Oertli Kanalisation