«Räumlich und klimatisch geschichtet.»
Ortsbau Wir setzen zwei Bauten. Einen zurückgesetzt, präsent am Platz, einen im Garten längs der Gleise. Der hohe, markantere Bau bildet den Abschluss der gründerzeitlichen Häuser an der Talstrasse. Er wirkt als Katalysator für eine starke Identität und bildet den Auftakt für die Alterssiedlung. Dahinter abgedreht, leitet ein tieferer Bau zum Bestand über.
Zwei Lifte gibt es und nur eine Treppe. Für die ältere Bewohnerschaft sind beide Bauten komfortabel vor allem mit Aufzügen erschlossen. Im Spalt der Volumen liegt das offene Treppenhaus. Ein Turmbau, mit zweigeschossigem Treppenraum bildet die Adresse am Platz. Darin liegen in den oberen Geschossen gemeinschaftlich genutzte Waschküchen. Sie bieten für alle Weitblick über die Talstrasse zum vom Kirchturm markierten Dorf- und Einkaufszentrum.
Transformation Wetzikon änderte sich während der letzten Jahrzehnte sehr stark, wie die meisten Orte um Zürich. Viele Bauten wichen, Neues entstand, Gutes und weniger Gutes. Unsere Bauten wollen auf verschiedenen Ebenen etwas mit der Geschichte des alten Wetzikons zu tun haben. Trotz des schroffen Massstabssprungs knüpft die Körnung am Bestand an. Durch die schmalen Fussabdrücke, durch die Putzfassaden, die leicht geneigten Dächer und die ausgeprägte Handwerklichkeit wirken sie vermittelnd. Das Volumenpaar sitzt ruhig und gelassen im parkartigen Grün. Es säumt den gemeinschaftlichen Binnenraum entlang der Gleise, ohne ihn abzuschotten. Die schönen, weiten Sichtachsen im Quartier wirken weiterhin durchlässig. Es geht darum Verbindungen zu erhalten und neu zu knüpfen, das alte Wetzikon mit dem kommenden zu verweben.
So werden die unterschiedlichen Bewohner und Bewohnerinnen in eine Gemeinschaftlichkeit eingebettet. In die Siedlung, in das Quartier, in die Stadt. Es sind kollektive Wesen. Menschen wie Häuser.
Durchaus alleine sein dürfen, nie aber einsam sein müssen, sich in Gesellschaft und aufgehoben fühlen. Dem wird auf allen Massstabsebenen architektonisch entsprochen. Allen voran erlauben das die Laubengänge, der Waschküchenturm, der Kehrrichtabwurf im Treppenhaus. Diese sind kommunikative Bewegungsräume. Auch der Kiosk im Durchgang und der Gemeinschaftsraum mit der gedeckten Terrasse zum Hof sind darauf ausgelegt sich über den Weg laufen zu können.
Eine der grundlegenden Absichten ist es individualisierbare, aneigenbare Räume zu schaffen, die eine graduelle Justierung zwischen Offenheit und Introvertiertheit erlauben. Sei dies gegenüber der Gemeinschaft, um je nach Stimmungslage Intimität oder den sozialen Austausch zu suchen. Oder gegenüber dem Wetter eher Ausgesetztheit oder komfortablen Rückzugsort zu schaffen. Die Bauten und ihre Wohnungen sind als ‚performative‘ Raumschichten konzipiert, darin eingeschrieben eine intime Kernschicht, die sich gegenüber der Welt öffnen oder schliessen lässt.
Klima.Schichten Wir gehen von einem äusserst haushälterischen Flächenverbrauch und damit von hocheffizienten, stark duchgebildeten Wohnungsgrundrissen aus. Wieviel braucht es wirklich? Kann die starke Reduktion auf das Notwendigste als Gewinn kultiviert werden? Wir denken an ein Zitat von Lacaton Vasalle: « Mit Sparen die Wohnqualität erhöhen. Lust geben, wieder in kleinen Bauten zu leben»
Mit diesem Anspruch antworten wir vorderhand klimatischen Konditionen – sommerlichen wie winterlichen. Die Wohnflächen schützen übergrosse Balkonschichten mit Markisen und Balkonverglasungen. So lässt sich der sommerliche Wärmeschutz gestalten. Die Wohnung kann nachts quergelüftet und gekühlt werden. Im Winter geschlossen, wirkt die Raumschicht als temperierter Klimapuffer und Wintergarten. Vor allem in den Übergangszeiten lässt sich willkommener, zusätzlicher Raum schaffen.
Zusätzlichen Raum bieten vor allem die ungewöhnlichen Kellerräume auf dem Balkon. Oft sind die Outdoors missbräulich genutzter Abstellraum für alles Mögliche. Tischgarnituren, Trainingsgeräte, Gasgrille, etc. Wir bieten daher einen Lagerraum, ein ‚Cajibi‘ jeweils auf dem Geschoss an. Die Wege sind damit kurz, die Kosten für den Aushub tief. Wer sparsam lebt, sich von Dingen löst und sein Leben entrümpelt, wird mit einem schattigen Gartenzimmerli auf dem sonnenbeschienenen Balkon belohnt. Wer spart, bekommt mehr.
Struktur.Schichten Unsere Idee der Schichtung schlägt sich ebenso strukturell nieder. Harte Aussenschalen in Ort- oder präfabriziertem Beton umschliessen einen hölzernen Kern. Wir stellen uns vor wie der von Nischen besetzte Laubengang mit Töpfen, Gartenschmuck und kleinem Gartengerät dem hölzernen Kern gegenüber steht. Beide Stimmungen bedingen und stärken sich gegenseitig. Eine der Öffentlichkeit zugewandte harte Schale, darin geschützt ein möbelhafter, hölzerner Kern. Nicht brennbare Deckenplatten und Wandscheiben der Laube sorgen für die Längsaussteifung. Die Wohnungstrennwände in Holz sorgen für die notwendige Quersteifigkeit. Die Vertikallasten gehen ohne Umlenkungen bis in den Baugrund.
Die Struktur ist hoch seriell. Präfabrizierte Bauteile erlauben eine kostengünstige Montage. Der Wohnungsgrundriss wird in 3 Moduleinheiten gefügt. Die Unterzüge decken die Stossfugen der Wohnungsdecken. Gedacht sind sie als gängige Holz-Beton-Verbunddecke oder etwas schlanker mit Buchensperrholz. Mit dieser Bauweise können Bauzeiten und Kosten verkürzt werden ohne auf guten Schallschutz und Masse für den sommerlichen Wärmeschutz verzichten zu müssen. Die hybride Bauweise nutzt das Material optimal. Die Betonmenge wird gegenüber herkömmlicher Massivbauweisen merklich reduziert.
Raum.Schichten Der Laubengangtyp empfinden wir für die vorliegende Aufgabenstellung als beste Wahl. Was manchenorts nachteilig sein kann, wird hier zum Vorteil. Es geht weniger darum abgeschlossene Wohneinheiten an ein internes Treppenhaus zu koppeln, sondern viele kleinteilige Wohnräume an einen gemeinschaftlich genutzten Aussenraum anzuhängen, ähnlich dem Prinzip einer Dorfgasse.
Die Küchen liegen hier als ‚Augen der Wohnung‘. Mittels Vorhängen können sie gedimmt und mittels der Läden geschlossen werden. Mit den Faltfenstern sind sie weit öffenbar. Die Sitzbank liegt vor dem Küchentresen, gegenüber die Pflanz- und Sitzbank, mit 65cm gerade noch auf Sitz- oder Anlehnhöhe, wird zum privaten Pop Up Café. Die Aufweitung des Ganges wirkt wie ein kleiner Vorgarten. Nischen und Ablagen vor der Eingangstür kombiniert mit der Eckverglasung laden zur persönlichen Gestaltung der Wohnumgebung ein.
Freiraumkonzept Bestehende Plätze und Nischen der Siedlung und des Quartiers verknüpfen sich mit neuen Orten zu einem Netzwerk mit verschiedenen Aufenthaltsqualitäten. Dabei greifen die Grünflächen bis in die Gebäude hinein. Sie schaffen eine gute Basis für eine Durchgrünung bis in das Innere der Anlage. Den bestehenden, teils imposanten Baumbestand ergänzen einzelne zusätzliche Bäume mit denen sie neue Teilräume bilden. Laubbäume bringen Blütenreichtum und bunte Herbstfärbung in die immergrüne Anlage. Heckenstrukturen schaffen räumliche Schwerpunkte und Intimität.
Die Grünflächen werden zukünftig nachhaltig und extensiv bewirtschaftet. Je nach Standort und Exposition bilden sich verschiedene Grünflächentypen, wie z.B. die Wildstaudenpflanzungen im Zentrum sowie Trockenrasen oder Blumenwiesen am Rand der Anlage. Diese Strukturvielfalt vermittelt den Bewohnerinnen und Bewohnern eine wohltuende, ruhige und reizvolle Atmosphäre, in der an verschiedenen Orten Sitzgelegenheiten zum Verweilen oder Sinnieren einladen.
4 Stockwerke, 4 Bewohner*innen, 4 Wohnformen. Siehe Schnitt.
Dank den schwellenlosen Übergängen kann sich Zeljko im ganzen Haus auch im Rollstuhl selbstständig bewegen. Die Schiebewände sind bei ihm nie geschlossen, er mag die Luftigkeit seiner Wohnung zu gerne. Ab und zu schaut er bei Hansruedi im 2. Stock vorbei, um seine neuen Bilder zu bestaunen. Ansonsten geniesst er die Fernsicht aus seinem Wintergarten, besonders in den Übergangszeiten.
Luca zieht gerade ein. Sein Einfamilienhaus mit Garten in vertrauter Umgebung zu verlassen ist ihm nicht ganz leicht gefallen. Zwar hat er viele Sachen an seine Kinder verschenkt, trotzdem ist er aber froh um den Kellerraum auf der Terrasse. U.a. lassen sich doch seine Gartenutensilien verstauen. Ein paar seiner liebsten Pflanzen hat er nämlich eingetopft und mitgebracht. Auf der grosszügigen Terrasse und dem Küchenfensterbank gibt es für diese ausreichend Platz.
Hansruedi kocht Kaffee am offenen Küchenfenster und plaudert währenddessen mit seiner Nachbarin Ruth. Will er nicht gestört werden zieht er einfach den Vorhang zwischen Küche und Sitznische. So kann er in Ruhe malen, am liebsten tut er dies in seinem Terrassenatelier. Da er nicht viele Sachen besitzt, nutzt er sein Cajibi als kleines Büro. An der frischen Luft fliessen die Gedanken wie von selbst und es schreibt sich wunderbar findet er. Viele seiner Bilder hängen bei seinem Freund Zeljko.
Für Maya ist die Sitzbanknische, ausgestattet mit bunten Kissen, der Sofaersatz - dort liest sie gerne Zeitung oder sieht sich die Tagesschau an. Im Wohnzimmer steht dafür der grosse Esstisch aus ihrem alten Haus. Daran bewirtet sie auch in der kompakten neuen Wohnung immer noch gerne und regelmässig Gäste. Die Schiebetüren zum Schlafzimmer hat sie dann jeweils gerne geschlossen, so sieht niemand ihr ungemachtes Bett.
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Eingeladener Wettbewerb. Ohne Rangierung. Projekleitung: Benedikt Profanter, mit Ingenieuren der Runge AG und Beglinger + Bryan Landschaftsarchitekten