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« Kloster der Zukunft »

Entwürfe zur Zukunft der Klosterlandschaft Zentralschweiz, am Beispiel des Klsoter Baldegg von Marcel Breuer.

Breuers Kloster Baldegg knüpft in mancher Hinsicht an die Tradition historischer Klosterbauten an. Es besetzt markant, gar dominant, die Hügelkuppe vor dem Baldeggersee. Mit der absoluten Doppelkreuzform im Grundriss aber önet es in die Landschaft. Die Baute strahlt in die Landschaft, sie wirkt damit präsent, aber auch etwas selbstbezogen. Skizzenhaft gedacht zieht die Landschaft unter den schwebenden Betonriegeln hindurch, doch die Gänge und teils massiven Wände arbeiten diesem ersten Ein- druck entgegen. Die Fensterreihen bilden die innere serielle Struktur der Schwestern nach Aussen ab. Zelle um Zelle, Fenster um Fenster. Dies erinnert an ähnliche skulpturale Bauten dieser Zeit, wie bspw. den Couvent des Capucins in Sion von Mirco Savanne. Der Stein, das wohl wiederständigste und mit der Zeit verbundene Material, ist bei Breuer allgegenwärtig. Wir finden es in Baldegg als polygonal gefügte Natursteinwand, vermutlich aus Guber, oder als Schieferbelag in den Gängen; vergleichbar zu anderen historischen Anlagen. Den Beton kann man hier ebenso als Naturstein lesen, wenn auch im Sinne Le Corbusiers als künstlichen Stein. Die Baute scheint ohnehin seinen kraftvollen, plastischen Arbeiten verwandter, als den seiner Bauhaus Kollegen. Trotz der eindrücklichen Qualitäten bleibt das Kloster nicht unbestritten, sondern ambivalent. Es mag zwar ein imposantes Lehrstück, nah am Idealplan St. Gallens gedacht, sein und ausgesprochen gut auf der Kuppe sitzen – unterstreicht das topografische Spannungsnetz – doch am Ende bleibt das vage Gefühl einer unnötigen Dominanz und damit einhergehenden Distanz gegenüber der Landschaft. Hier bricht der Entwurf mit den historischen Vorbildern am deutlichsten.

WinterIM Bau

Das damalige, im Klosterbau manifestierte Vertrauen in den Fortschritt, in das Wachstum der Schwesternschaft, stellen wir aktuell in Frage. Notgedrungen beschäftigen wir uns mit dem genauen Gegenteil, der Schrumpfung. Die Schwesternschaft schwindet. Frei werden nicht nur deren Räume in der Zentralschweiz, ja gar in ganz Europa, sondern auch deren Inhalte. Was kann darauf eine gültige Antwort sein?

Die Studierenden, alle aus sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, einigten sich darauf, dass die architektonischen Qualitäten des Hauses trotz unserer Fragen im Grunde zu erhalten seien. Sämtliche Entwürfe orientierten sich im weitesten Sinn an Konzepten für Beherbergungen. Diejenigen Vorschläge, die in Richtung eines profanen Hotels gingen, sich also einem spirituellen Zugang verwehrten, hatten wohl die grösste Mühe den Ort in die Zukunft zu führen. Zuviel ging verloren. Besser gelang es, wenn das Haus als Vermächtnis verstanden wurde, als eine Art ‚La Tourette‘ in der Nähe Luzerns. Ein Ort, der als UNESO Erbe oder mit Unterstützung der Allgemeinheit, also von Kanton, Bund und Fördergeldern, eine Art ‚Ferien im Baudenkmal‘ inklusive Kulturteil anbot. Doch genügt es, den Bau in Zukunft ohne die Schwestern für Kurzzeitbesuche zu konservieren? Reicht dazu die architektonische Kraft? Ich bezweifle es.

Als bald die Projektideen mit sozialem Engagement erweitert wurden, wirkten diese weitaus plausibler, langfristiger gedacht und sinnfälliger. Eine oene Vollzugsanstalt,wie man sie aus Norwegen kennt, in der die Bewohner:innen den Umgang in der Gemeinschaft üben oder eine Art Rehabilitationszentrum für psychisch Kranke waren vielversprechender. Zudem konnte damit die Baute mit seiner Umgebung in wechselseitige Beziehung gesetzt werden. Es konnte das als Ganzes betrachtet werden, was derzeit voneinander getrennt scheint. Das Kloster steht zwar in der Landschaft, doch zu tun hat es mit ihr wenig. Die Landschaft degradierte man zum Objekt, zum Hintergrund. Doch stehen die Franziskanerinnen nicht für eine andere Sichtweise?

Augenfällig wurde das Verhältnis zwischen Bau und Landschaft beispielsweise beim ‚Durchgangszentrum‘. Die Migrant:innen, so die Idee, würden ihre Zeit und ihr Wissen nutzen, um das Land für sich und andere zu bestellen. Eine ähnliche Projektidee ging gar soweit das Kloster als Treibhaus für Pflanzen und Menschen zu entwickeln. So wurde die energetische Ertüchtigung angegangen und gleichzeitig ein Zentrum für fünfzig Hektare Land geschaffen. Gedacht wurde unter anderem auch an eine solidarische Landwirtschaft mit Permakultur inklusive dazugehörenden Schulungsräumen und Werkstätten. Man würde hier vielleicht ein freiwilliges Jahr leisten, in gemeinsamer Arbeit und sinnstiftender Gemeinschaft. Bewohner:innen würden vor allem Zeit schenken, für die aufwändige ökologische Produktion von Lebensmitteln, die bisher, zwar mit BIO Zertifikat ausgestattet, dennoch als industrielle Produktion an eine Bauersfamilie ausgelagert war. Hier knüpften die Verfasser:innen an eine ursprüngliche Tradition der Klöster, die einmal Selbstversorgende waren. Schaut man sich die Urreferenz Breuers an, das Kloster St. Gallen mit allen Handwerksbetrieben und Stallungen, die das Kloster einmal benötigte, wurde der lebendige Organismus in Resonanz gebracht. Das mag zuerst als idealistische Stossrichtung wirken, aber doch eine bedenkenswerte Alternative sein. Es würde eine Gemeinschaft gebildet, die im Glauben daran vereint ist, es anders machen zu wollen, langsamer, im überschaubaren Rahmen, verträglicher, ökologischer. Es wäre eine Gruppe von Freiwilligen, die sich möglicherweise weniger im religiösen Glauben findet, als in der gemeinsamen Überzeugung hier etwas Neues und ‚Richtiges‘ zu tun. Darin liegt Wahrheit und Schönheit, vielleicht liegt darin auch die Nähe von Ethik zu Ästhetik begründet.

TschoppGrundriss TschoppModell Tschopp6

Anders gelagert waren zwei sich gegenseitig ergänzende Arbeiten. Eine davon wandte sich dem historischen Bestand jenseits der Strasse zu. Sie ging sprichwörtlich zurück an die Wurzeln und das Wesen des Klosters. Es formte den Bestand des Schlosses mittels Ergänzungsbauten zu einem neuen Rückzugs- und Bildungsort für Frauen um. Eine Frauenbadi, Räume für Wohngemeinschaften, ein Schulungsraum, ein „Schreiraum“, usw.... Damit ging man zurück an die Anfänge des Klosters, die Bildung und Ermächtigung von Frauen in einem sicheren, eigenen Rahmen standen bei dieser Arbeit im Zentrum.

Die zweite Arbeit, wandte sich dem nun erst freigespielten Kloster von Breuer zu. Richtigerweise beginnt der Verfasser mit einer Inventur. Eine penible geführte Liste dessen was das Kloster bereits heute, ohne Anpassungen zu bieten hat wurde erstellt. Die gewonnene Erkenntnis war, dass der Bestand keines Umbaus sondern eines Umdenkens bedarf. Das scheint, nicht nur vor dem aktuellen Hintergrund, weniger zu bauen und zu produzieren, richtig, sondern auch weil erkannt und sichtbar gemacht wurde, dass der Bestand fast ausnahmslos bereits gut und nutzbar ist.

Furterodelle Furter

Beide Verfasser eint die Wiederentdeckung des Bestandes und beiden gelingt damit eine ‚Verwesentlichung‘ des Klosters. Wenn man also fragt, was sich ändern muss, damit es bleibt wie es ist, dann ist es vermutlich vor allem eine wohlwollende, sorgsame Sicht auf das Wesen des Bestandes und der Geschichte des Frauenklosters. Wieder könnte eine dauerhafte, vorerst sich stetig ändernde Gemeinschaft auf Zeit entstehen. Dafür wären nur wenige Anpassungen notwendig. Das Haus bietet bereits fast alles notwendige. Ändern muss sich die Sichtweise auf das Alte, um Neu zu sein.

Nebenbei: Die bei der Arbeit vorgeschlagenen Abbrüche, bringen die ursprüngliche Struktur wieder zum Vorschein, zudem werden sie übrigens dazu verwendet, das Urnengrab für die Schwestern zu bereiten. So bleiben die Schwestern am Ort und vielleicht auch ihr Vermächtnis.

 

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Publikation, Kloster der Zukunft, Kooperation und Transformation zwischen Kloster Baldegg und HSLU in der Sakrallandschaft Zentralschweiz, Lando Rossmaier, Ennenda, März 2023, Modulverantwortlicher: Prof. Lando Rossmaier: Dozent Entwurf und Konstruktion, Master Architektur, Experten: Prof. Ing. Dr. Uwe Teutsch: Dozent Institut für Bauingenieurwesen (IBI) Yves Dusseiller: Dozent Konstruktion und Modellbau am IAR Begleitung: Prof. Dr. Gabriela Christen: Dozentin und Forscherin Design & Kunst und Leiterin Strategie & Transformation, Baldegger Schwestern: Sr. Zita, Sr. Nadia, Sr. Marie-Ruth, Sr. Boriska, Sr. Katja, Dieter Geissbühler: Architekt und Lehrbeauftragter am IAR und Vorstandsmitglied Verein Kloster Leben Schweiz, Wissenschaftliche Assistenz: Karin Ohashi, Architektin

 

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